In unserem Kommentarbereich gibt es keine „ERSTER!“-Rufer, kein pubertärers Gehabe (von meinen eigenen, schlechten „Deine Mudder“-Witzen mal abgesehen) oder sexistische Kommentare bei weiblichen Podcast-Gästinnen. Das begrüße ich sehr und dafür bin ich auch sehr dankbar.
Hallo Manu, stell dich doch mal kurz vor.
Einen wunderschönen guten Morgen! Ich bin Manu, 37 Jahre alt, stolzer Home-Office-Daddy, freier Spielejournalist und leite und moderiere seit etwas mehr als fünf Jahren den täglichen Spielekultur-Podcast „Insert Moin“. Ich bin Wahl-Freiburger, liebe lange Bahnfahrten mit vollen Akkus, Rundenstrategie und postapokalyptische SciFi-Szenarien. Außerdem bin leidenschaftlicher Bartträger, Serien-Junkie und Brettspiel-Liebhaber.
Spielepodcaster, Serienjunkie und Wahl-Freiburger, da ist der Bart doch Pflicht? Oder ist das ein Vorurteil?
Ich trage gerne Bart, aber sehe keinen Zusammenhang mit meinem Beruf, der Stadt oder sonstigen Hobbys. Empfinde mich nicht als Hipster, der Bart trägt, weil es gerade „in“ ist. Die Wahrheit ist: Ohne Bart sehe ich einfach viel zu brav und unschuldig aus. Kennst du diesen Comic, mit dem Bartträger, der sich rasiert und danach im Spiegel ein Babyface sieht? Genau das trifft auf mich zu. Bärte sind einfach toll.
Wenn man täglich einen Podcast über Spiele aufnimmt, hat man natürlich auch keine Zeit sich zu rasieren. Wie kam es denn zu dieser täglichen Frühstücksbeschäftigung?
Vor diesem Projekt war ich Teil eines Spielepodcasts, der sich alle zwei Wochen treffen wollte, um gemeinsam über die gespielten Spiele zu sprechen. Wenn das klappte, dauerte es dann aber auch meistens 2-3 Stunden, bis alle Teilnehmer über alle gespielten Spiele sprachen. Und da wir zu dem Zeitpunkt auch kleine Kinder und andere Verpflichtungen hatten, viel der Aufnahmetermin oft ins Wasser, was die nachfolgende Sendung NOCH länger werden ließ. Daraufhin kam mir die Idee, dass es vielleicht sinnvoller wäre, den Podcasts mit vielen Themen in viele kleine, kürzere Podcasts mit jeweils wenig Themen aufzuteilen. Ich fand es dann sehr reizvoll, rauszufinden, wie lange ich es durchhalten würde, JEDEN TAG zu podcasten. Du hast ja auch gerade diese Challenges am laufen – so bin ich an das Podcastprojekt ran: Wie lange halte ich das durch? Mein Ziel war es, erstmal 100 Folgen zu schaffen. Jetzt sind wir bei über 1500! 😀
Über 1500 Folgen eines täglichen Podcasts. Da haltet ihr ja schon eine ganze Weile durch. Und ihr nehmt wirklich jeden Tag auf? Oder produziert ihr auch manchmal Folgen „auf Vorrat“?
Am Anfang des Projekts war es wirklich „fast live“. Also Grundidee war, sich jeden Morgen um 8:00 im Skype zu treffen und darüber zu sprechen, was wir am Vorabend gespielt haben. Danach ging die Folge direkt online. Da tauchten aber sofort zwei Probleme auf: Erstens spielten selbst wir (damals Boris und ich) nicht wirklich jeden Abend, dann war es schwer, den Podcast zu füllen und zweitens wurde Boris dann krank und ich musste spontan und kurzfristig für Ersatz suchen, da ich ja die Serie nicht abreißen lassen wollte. Da merkte ich: Wir brauchen einen „Puffer“ und zweitens sind Gäste im Podcast eine super Idee.
Daraufhin fingen wir an, Folgen zwar weiterhin am selben Tag zu produzieren, wenn es ging, aber hatten ab dem Zeitpunkt auch immer Ersatzfolgen. Die Sache mit den Gästen entspannte dann auch den Stress für die zwei Moderatoren, weil man sich dann auch gefühlt mal einen Tag zurücklehnen konnte. Das Format entwickelte sich dann von „täglich über den Vorabend reden“ zu „1 Thema / 1 Gast pro Folge“.
Damit ist der Anspruch aber doch gewachsen!? Ihr produziert nicht nur fast täglich, sondern habt auch jedes Mal einen Gast mit im Podcast. Woher kommen diese Gäste? Fragen die bei euch an oder geht ihr aktiv auf die Suche?
Zu Beginn waren es einfach Blogger und Podcaster aus unserem eigenen Umfeld. Nach und nach wächst natürlich auch das eigene Netzwerk und die Reichweite und damit auch die Auswahl an Gästen und Interviewpartnern. Falls wir keinen direkten und persönlichen Bezug haben, stellen wir einfach regulär eine Anfrage per Mail. Inzwischen werden wir aber auch oft angefragt und Hörer_innen schlagen uns Themen und Gäste vor, klar.
Vielleicht gibt es unter den Lesern dieses Interviews Interessenten.
Wie entscheidet ihr denn, ob ihr einen Gast im Podcast haben wollt oder nicht?
Falls es ein Interview ist, sollte schon ein Bezug zu Spielethemen da sein. Also wir führen viele Interviews mit Indieentwicklern oder einfach mit Menschen aus der Branche, die einen interessanten Beruf haben. Wir haben zum Beispiel neulich mit einem Enviroment-Artist gesprochen, der sich um Grafiken und Objektgestaltung im neuen Uncharted gekümmert hat. Oder wir interviewen Menschen, die sich mit Genderfragen in Spielen beschäftigen oder ein Festival für Computerspielkunst organisieren. Bei Gästen zu einem Spiel ist eigentlich nur entscheident, dass der- oder diejenige das Spiel oder die entsprechende Serie kennt und vielleicht auch nicht unbedingt auf den Mund gefallen ist. Schließlich wollen wir einen Dialog führen und unseren Gesprächspartnern nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Ein wenig Eigenwerbung für das eigene Blog, den eigenen Podcast oder sonstige Dinge fallen dabei natürlich auch ab. An Gästen zu Spielen mangelt es uns aber derzeit wahrlich nicht.
An Gästen mangelt es euch nicht, aber wie sieht es denn mit Hörern aus?
Kommt so ein Podcast mit diesen Theman gut an?
Ja, wir sind eigentlich total zufrieden, was das Feedback und die Hörerzahlen betrifft. Klar ist Gaming und Spielkultur ein immer weiter verbreitetes Hobby in unserer Gesellschaft, aber Podcasts sind ja an sich schon (noch?) Nische. Also sind wir ja eine Nische in der Nische. Dafür finde ich, dass wir mit ca. 10.000 Downloads pro Tag und insgesamt über 250.000 Downloads aller Folgen pro Monat auch in der Podcastszene ganz gut dastehen. Vor allem mag ich aber, dass unsere Community so erwachsen scheint und es wohl auch an uns schätzt, dass wir die Ü30-Gamer ansprechen. In unserem Kommentarbereich gibt es keine „ERSTER!“-Rufer, kein pubertärers Gehabe (von meinen eigenen, schlechten „Deine Mudder“-Witzen mal abgesehen) oder sexistische Kommentare bei weiblichen Podcast-Gästinnen. Das begrüße ich sehr und dafür bin ich auch sehr dankbar.
Ein Podcast für Ü30 Gamer. Damit seid ihr die Nische in der Nische einer Nische. Oder meinst du, dass ernsthaftes Gaming und auch die „Kultur“ erst ab dem höheren Alter beginnt?
Nun, wenn man aktuellen Umfragen glauben mag, dann ist die Mehrheit der Spieler und Spielerinnen ja inzwischen über 30 Jahre alt. Da wir auch Brettspiele und eben allgemein spielkulurelle Themen abdecken, füllen wir da glaube ich auch eine Lücke, die in vielen klassischen Spielemagazinen erst nach und nach Einzug finden. Auf YouTube dagegen hat sich ja eine völlig neue Jugendbewegung mit den Letsplayern gefestigt, die aber eher auf Unterhaltung und Blödeleien ausgelegt ist. Daher, um deine Frage zu beantworten: Ja, ich denke für viele Themen abseits von „Boah ist die Grafik geil“ interessiert man sich erst ab einer längeren Beschäftigung des Themas. Wobei das eigene Alter da zwar helfen kann, aber nicht Vorraussetzung ist. Gibt sicherlich auch jüngere Kaliber, die sich für Spieleentwicklung und die Kultur dahinter interessieren.
Wie alt war denn euer jüngster Gast und über welches Thema habt ihr euch unterhalten?
Mein jüngster Gast war mein Sohn mit 10 Jahren 🙂 Wir haben uns über Anki Overdrive (Amazon-Link) unterhalten, einer modernen, App-unterstützen Carrera-Bahn (nur eben nicht von Carrera), bei der man die Autos mit den Smartphones steuert und sich via App auch virtuell abschießen un damit deaktiveren kann. Als Belohnung steigt man im Rang auf und kann zusätzliche Waffen und Boosts freischalten.
„App-unterstützt“ … was hältst du von diesem Trend, der die Online- mit der Offline-Welt verbindet?
Ich finde das klasse, wenn es denn gut gemacht wird. Sehr viele positive Beispiele abseits von Anki Overdrive und dem Brettspiel zu XCOM (Amazon-Link) fallen mir da leider kaum ein. Aber ich mag es auch, dass klassische Brettspiele so komplett ohne Display und Technik auskommen. Beide Welten haben ihr Vor- und Nachteile.
Mit Anki Overdrive und XCOM hast du jetzt schon zwei Spiele genannt.
Welche anderen Spiele – online und offline – findest du zur Zeit besonders erwähnenswert?
Also am PC spiele ich gerade sehr intensive „The Banner Saga 2“, ein Rundenstrategie-Spiel mit einem sehr starken Storyfokus und wirklich toll geschriebenen Figuren und Dialogen. Am Spieletisch begeistert mich gerade „Roll for the Galaxy“ (Amazon-Link), ein eigentlich sehr simples Aufbauspiel, das aber komplett über Würfel funktioniert. Das fängt thematisch toll die Weltraum-Explorationsthematik ein und schafft es trotz Würfel, sehr wenig glücksbasiert zu sein und läßt einem viel Möglichkeit und unterschiedliche Taktiken zu. Abseits davon genieße ich aber auch den umwerfenden Bombast und die tollen Charaktere eines Actionskrachers wie Uncharted 4 (Amazon-Link).
Wie ist das so, als Journalist im Spielebereich? Bekommst du alle Spiele als Muster – also gratis – von den Verlagen/Produzenten oder kaufst du dir die Spiele?
Ja, also die meisten Spiele bekommen wir als Muster zugesandt, seit wir eine gewisse Reichweite und Bekanntheit erreicht haben. Gratis ist aber das falsche Wort, das sind ja keine „Geschenke“ sondern eben Arbeitsmaterial, dass Journalisten für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt wird. Wir haben uns da aber auch strenge Richtlinien gesetzt, was unsere journalistischen Werte betrifft. Also Testmuster nehmen wir nur an, wenn da keinerlei Bedingungen dran geknüpft sind. Das kommt aber auch so gut wie nie vor. Auf uns ist noch kein Publisher oder Verlag zugekommen und hat verlangt, dass wir ein Spiel besonders gut besprechen oder hat sonstige Bedingungen gestellt. Aber das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass wir keine Werbung schalten (da also auch keine Schnittmenge mit der Anzeigenabteilung besteht) und wir keine klassischen „Wertungen“ vergeben wie „8 von 10“ oder so. Wenn wir ein Spiel nicht besonders gut finden, dann ist das natürlich in einem halbstünden Cats auch etwas ausführlicher begründet, also wenn da nur eine schlechte Wertung druntersteht, die dem Publisher sauer aufstößt.
Ihr handelt nach bestimmten „Journalistischen Werten“ und hebt euch damit ab. Gibt es noch andere grundlegende Unterschiede zu anderen Journalisten oder Podcasts?
Naja, andere Journalisten und Magazine haben auch ethische Grundsätze, das haben wir ja nicht erfunden. Von vielen Podcasts unterscheiden wir uns denke ich vor allem durch unser tägliches Format, da ist mir abseits der öffentlich rechtlichen Formate von Radiostationen nichts bekannt und der bereits angesprochenen Fluktuation an Gästen.
Ok, dann kommen wir langsam mal zum Ende. 😉
Gibt es 3 Folgen eures Podcasts, die du den Lesern dieses Interviews besonders empfehlen würdest?
Und welche Tipps kannst du jemandem mit auf den Weg geben, der vielleicht auch einen erfolgreichen Podcast starten will?
Also drei Folgen aus letzter Zeit, die mir gut gefallen haben, waren ein Talk über „Fluch und Segen von Metacritic“ mit zwei tollen Gästen, dann der Street Fighter-5-Cast mit zwei Spielern aus Wien, die einen „virtuellen Dojo“ betreiben für Prügelspiele und da ich gerade totaler VR-Enthusiast bin die Folge zum HTC Vive.
Tipps für Einsteiger? Gutes Mikro oder Headset besorgen und sich eine Nische suchen und zumindest so etwas wie ein Konzept überlegen. Einfach nur „3 Typen die über alles quatschen“ gibt es bereits sehr häufig in der Podcastszene. In letzter Zeit kommen immer mehr „Konzept“-Casts auf die Bühne wie „Doomian“, eine Call-In-Show mit Spielebezug von Superlevel, bei der der Moderator die Themen vorher nicht weiß. Da gibt es glaube ich noch viel Potential. Auch „produzierte“ Sendungen mit einem aufbereiteten Thema und Einspielern gibt es bisher sehr wenige.
Vielen Dank Manu, für dieses sehr ausführliche Interview.
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